Selbsthilfe

Zum kostenfreien Hörbuch-Download
„Erfolgreich gegen Depression und Angst - eine Einführung zum Hören”

 > Zum Hörbuch-Download

Kritische Bezugsetzung zu den beiden derzeit
verbreitetsten Psychotherapieschulen


 
Psychoanalyse / Tiefenpsychologie

Vor dem Hintergrund der Psychosynergetik sind hauptsächlich die folgenden zentralen Momente des tiefenpsychologischen Ansatzes kritisch zu sehen:

1. Hypersexualismus: Dem Thema Sexualität kommt in Bezug auf die Entstehung psychischer Störungen längst nicht die Bedeutung zu, die ihr von der Tiefenpsychologie zugesprochen wird. Der reiche Wissensschatz von Ethologie und Evolutionspsychologie wurde bisher nicht systematisch und auf breiter Front integriert. Der Sexualantrieb ist längst nicht das einzige angeborene Antriebssystem des Menschen (und ein „Todestrieb“ kann aus moderner evolutionspsychologischer Sicht nur als Nonsens bezeichnet werden).

2. Kernfäuledogma: Das tiefenpsychologische Theoriegebäude verfügt nicht über Mittel, eigenständige, positive Motivationen mit genuin kulturellen Inhalten zu konzipieren. Alles höhere menschliche Tun z.B. in Wissenschaft und Kunst muss daher auf „niedere“ Antriebe zurückgeführt werden, was zu z.T. bizarren und zynischen Konstruktionen führt und führen muss. Sehr treffend hat Seligman das als „Kernfäuledogma“ bezeichnet: Wie gut und edel menschliches Tun an der Oberfläche auch wirken mag – im Kern scheint es aus tiefenpsychologischer Sicht immer faul.

3. Hypterdeterminismus: Im Anschluss an das Weltbild zu Freuds Lebzeiten geht die Psychoanalyse davon aus, das alles psychische Geschehen determiniert sei und damit Bedeutung trage. Es kann heute allerdings als bewiesen gelten, dass es im menschlichen Gehirn – wie überall in der Natur – den Zufall gibt, und dass er – wie überall in der Natur – bei schöpferischen Prozessen eine irreduzible Funktion hat (z.B. zufälliges Finden einer Lösung beim „Herumprobieren“). Das ist sehr befreiend. Man muss heute nicht mehr jedem merkwürdigen Ereignis in tagelangen Grübeleien nachspüren hinsichtlich einer verborgenen, geheimnisvollen und womöglich für die Heilung zentralen Bedeutung.

4. Hypersymbolismus: In ähnlicher Weise giert die Psychoanalyse danach, oberflächliche Ähnlichkeiten mit tieferer Bedeutung und Symbolgehalt aufzuladen. Dabei bleibt unbeachtet – und war zu Freuds Zeiten auch unbekannt -, dass wir in einem fraktalen Universum leben, zu dessen Natur eine hochgradige Selbstähnlichkeit gehört. Wenn die Rakete dem Penis ähnelt, so muss das ebenso wenig psychologische Hintergrundbedeutung haben wie die Ähnlichkeit, die wir zwischen einem Baum und seinen Zweigen finden.

5. Überbetonung des Beziehungsthemas für die Verursachung psychischer Störungen wie auch für den therapeutischen Prozess. Studien haben gezeigt, dass in vielen Fällen eine selbständige Arbeit mit Selbsthilfematerialien vergleichbar positive Therapieresultate erbringen kann. Besondere Schärfe gewinnt das vor dem Hintergrund, dass es eines der Hauptziele von Psychotherapie sein muss, Abhängigkeiten zu lösen und Autonomie zu ermöglichen.

7. Hyperreflexionismus: Der psychoanalytische Ansatz verleitet zu einem Übermaß an Vergangenheitsorientierung und unfunktionaler Selbstbespiegelung, die dazu beitragen kann, die eskalierenden Teufelskreise am Laufen zu halten.

Zumeist ist effizienten Lösungen ziemlich egal, wo die Probleme herkamen. Und reflektierende Bewusstmachung allein wird selten die Lösung sein – zumeist ist das systematische und kleinschrittige Einüben neuer Denk- und Verhaltensmuster entscheidend.

 

Verhaltenstherapie

Wie bereits gesagt, betrachtet sich die Psychosynergetik als der Verhaltenstherapie zugehörig, die wichtigsten von ihr eingesetzten Verfahren beziehen ihr therapeutisches Rational von hier. Gleichwohl gibt es aus psychosynergetischer Sicht auch Kritikpunkte und Vorschläge für Weiterentwicklungen.

So ist die etablierte Verhaltenstherapie fast ausschließlich prozess- und methodenorientiert und interessiert sich kaum für Strukturen. Bis heute haben sich die Verhaltenstherapeuten aus verschiedenen, hier nicht zu erörternden Gründen, nicht dazu durchgerungen, sich auf ein ganzheitliches Strukturmodell der Psyche festzulegen.

Therapeuten sind aber ganze Menschen die anderen ganzen Menschen begegnen. Nur wenn man eine solche ganzheitliche Rahmenvorstellung der wichtigsten Strukturen und Prozesse vor Augen hat, sieht man die wichtigsten Dysfunktionen bzw. „Leerstellen“ (und fast immer gibt es davon mehr als eine). Und nur dann kann man mehrere Therapiemethoden sinnvoll und synergistisch kombinieren. Dieses Fehlen eines Strukturmodells führt dazu, dass wir auch den Verhaltenstherapeuten vorwerfen müssen, dass das Wissen der Ethologie/ Evolutionspsychologie bisher nicht systematisch integriert wurde.

Aufgrund des Fehlens eines Strukturmodells geraten auch Verhaltenstherapeuten oft in die Nagel-Hammer-Falle (Wer nur einen Hammer hat, macht alles in der Welt zu einem Nagel). Oft wird eine bestimmte Methode überfokussiert. Dies sieht man derzeit sehr gut an der Akzeptanz-Commitment-Therapie, in der eine innere Distanzierung von unseren Erkenntnisprozessen eingeübt wird (Vereinfacht: Was uns ängstigt, sind nur die Symbole auf unseren inneren Landkarten, nicht das Land selbst – schieb also die Karte beiseite!). Aus psychosynergetischer Sicht ist alles, was ACT macht, richtig. Leider ist es aber oft mit einer Tendenz verbunden, den bisherigen Zugang der Kognitiven Therapie – die Korrektur dysfunktionaler Erkenntnisstrukturen (vereinfacht: wenn die Karte falsch ist, sollte man sie korrigieren) – in seiner Bedeutung herabzustufen. Aber es ist eben beides richtig und wichtig: Man darf die Karte nicht mit dem Land verwechseln und die Karte sollte korrekt gezeichnet sein. Man sollte immer beides bearbeiten, im einen Fall mit dem Schwerpunkt hier, im anderen mit dem Schwerpunkt dort.

In dieser Weise kommen in der Psychosynergetik zumeist mehrere Methoden kombiniert zum Einsatz und werden im Rahmen eines komplexen Wissenshintergrundes an den Klienten zur Selbsthilfe vermittelt. Es ist plausibel, hiervon Synergieeffekte zu erwarten. Zudem wird erwartet, dass es über die damit verbundene Kohärenzsteigerung zu einer besseren Verinnerlichung neuer Sichtweisen und Haltungen kommt (Aus einer „kalten“ Einsicht wird eine „heiße“ Überzeugung, je größer der Wissenskontext ist, in dem die Einsicht kohärent vernetzt ist).

Und wie soll man das alles in den Therapiestunden schaffen? Nun eben durch den unterstützenden Einsatz psychoedukativer Materialien, die den Patienten zu Selbststudium und eigenständigem Üben anleiten.

In einem Punkt geht die Psychosynergetik deutlich weiter als die etablierte Verhaltenstherpapie: Es werden nicht nur dysfunktionale Sichtweisen des Klienten disputiert, vielmehr werden ihm auch positive Vorschläge gemacht: Es wird ein System förderlicher Geisteshaltungen abgeleitet und begründet. In einem Prozess der kritischen Auseinandersetzung mit diesen Vorschlägen soll der Klient ein eigenes System förderlicher Geisteshaltungen erarbeiten und in seiner eigenen Sprache formulieren.

Diese Systeme von bewussten oder unbewußten Lebensprinzipien gelten in der Psychosynergetik als die wichtigste Grundlage des von Antonovsky konzipierten Kohärenzgefühls (SOC). Hier Verbesserungen zu erreichen wäre somit eine entscheidende Hebelmaßnahme zur Förderung der psychosomatischen Gesundheit.